Mittwoch, 7. April 2010

Mensch, di Lorenzo: Rot-rote Berliner Bildungspolitik der "Zeit" übergestülpt

Die rot-rote Bildungspolitik in Berlin ist so herzerfrischend unerfolgreich. Das merkt hier eigentlich jeder. Mit Ausnahme des Senats, der meisten Lehrer und ihrem Haus- und Hoforgan "Der Tagesspiegel" vielleicht. Damit nun auch noch der Rest der Republik erfährt, wie man's nicht macht, hat Ex-Tagesspiegel-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo seinem neuen Blatt "Die Zeit" eben mal das Berliner Modell übergestülpt. In einem kuriosen Artikel befasst sich die Zeit-Autorin Eva Hampl mit dem Thema "Schüler brauchen starke Eltern für den Erfolg".

Darin fordert der Erziehungswissenschaftler Werner Sacher unter anderem, dass es Aufgabe der Lehrer werden solle, "den Eltern fehlende Erziehungskompetenzen zu vermitteln". Na besten Dank. Ich kenne keinen Lehrer, von dem ich so etwas lernen möchte. Weiter wird Sacher mit den Worten zitiert, "die internationale Forschungsarbeit zeigt, dass Elternarbeit fruchtet, wenn die Eltern nah am Lernprozess der Kinder dran sind … Lehrer müssen Eltern in die Schule holen, sie anleiten, trainieren, zur Mitarbeit einladen, Lernhinweise geben und vieles mehr." Und dann kommt der Clou: "Der Anteil der Eltern am Lernerfolg der Kinder ist doppelt so hoch wie derjenige der Schule."

Während der gesunde Menschenverstand sofort sagt: Dann stimmt doch wohl mit dem System Schule etwas nicht, verschließen di Lorenzo und Kollegen in vorauseilendem Gehorsam zum Berliner Senat ganz fest die Augen vor der Realität und lassen einen Erziehungswissenschaftler die "richtigen" Konsequenzen ziehen.

Ein Blick nach draußen genügt: Die Schule ist längst überfordert, Nachhilfe-Institute schießen wie Pilze aus dem Boden und kassieren kräftig ab. Warum sie das können? Weil Lehrer immer weniger individuelle Zeit für Kinder haben. Elternarbeit funktioniert deshalb so gut, weil sie individuell ist. Wir müssen unsere Kinder immer länger in die Schule schicken, sie nehmen aber immer weniger von dort mit.

Ich frage mich, wie lange sich Eltern noch solche Aussagen stillschweigend anhören? Deutschland ist eines von wenigen zivilisierten Ländern auf der Welt, dass Heimunterricht und (anderswo sehr gut funktionierende) alternative Lernmodelle verbietet. Deutschland hat einen Schulzwang – ganz im Gegensatz zu den USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien etc. Wir wissen, dass der Staat das sich selbst genommene Monopol auf Bildung nicht ausfüllen kann. Der Schulzwang muss fallen, damit Eltern die Bildung ihrer Kinder gegebenenfalls selbst in die Hand nehmen können.

Niemand muss, aber jeder sollte dürfen.

Oliver Wagner

Hier geht's zum zitierten Artikel in der Zeit.

1 Kommentar:

  1. Magret Bonin hatte Schwierigkeiten mit unserer Kommentarfunktion (wir kümmern uns um eine weiter Vereinfachung). Deshalb posten wir ihren Kommentar hier:

    Zitat: "... Darin fordert der Erziehungswissenschaftler Werner Sacher unter anderem, dass es Aufgabe der Lehrer werden solle, "den Eltern fehlende Erziehungskompetenzen zu vermitteln". Na besten Dank. Ich kenne keinen Lehrer, von dem ich so etwas lernen möchte..."

    Das erinnert mich an einen Vorfall hier in einem Nachbarort. Da suspendierte vor einigen Jahren eine Schulleiterin 2 Erstklässler vom Schulunterricht weil diese sich nach dem Unterricht geweigert hatten von einem Baum zu klettern ... und dröhnte dann noch in der Presse, sie habe "Kindern und Eltern Grenzen aufzeigen müssen". Seit Jahren klagen Schulen darüber, was sie alles leisten müssten ... ua die Erziehung der unererzogenen Kinder anderer Leute. Und nun fordern sie sogar einen Erziehungsauftrag für Eltern? Sind das die lernenden Schulen der Zukunft oder die mal wieder und immer noch "belehrenden"?

    ps
    mehr Kommentare finden Sie in meiner perönlichen homepage: www.magbon.de
    allerdings sind das alte Leserbriefe, ca die Hälfte davon veröffentlich.

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